Eingebettete Bleitellurid Quantenpunkte

An einem literaturbekannten Beispiel (CdTe-Quanten Punkt) sollen die Möglichkeiten der ab initio Software zur Beschreibung und Vorhersage von strukturellen und elektronischen Eigenschaften nanostrukturierter Materialien (z.B. Lumineszenz) dargestellt werden.

Einleitung

Moderne Herstellungstechniken von elektronischen, optoelektronischen und sensorischen Geräten haben das Interesse an der Selbstorganisation und Selbstanordnung von Nanostrukturen wie Quantenpunkte (QDs) oder Quantendrähte, die in einer festen Matrix eingebettet sind, erneut geweckt. Es existiert eine Vielzahl von vielversprechenden Strukturen und Materialien, die in zukünftigen Anwendungen der Optoelektronik oder Nanoelektronik eingesetzt werden sollen. Von besonderem Interesse ist dabei die räumliche Einschränkung der Ausdehnung der Elektron- und Lochwellenfunktionen, da so ähnliche Eigenschaften wie bei einzelnen Atomen oder Molekülen erreicht werden können.

In vielen Fällen kann der Prozess der Selbstorganisation nur mit Hilfe moderner Computer-Rechnungen auf atomarer Ebene im Detail verstanden werden. Insbesondere ist es sehr schwierig, Auswirkungen auf bestimmte Änderungen im experimentellen Aufbau ohne Kenntnis der zugrunde liegenden physikalischen und chemischen Prozesse, vorherzusagen.

Material System

Die Verfügbarkeit von Lichtquellen des mittleren infraroten Spektralbereiches ist entscheidend für viele Anwendungen in der Molekül-Spektroskopie sowie in Gas-Sensorsystemen zur Umweltüberwachung oder für die medizinische Diagnostik. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass PbTe-QDs eingebettet in einem CdTe-Wirtsmaterial bei Raumtemperatur ein intensives Lumineszenzsignal im mittleren Infrarotbereich aufweisen [1], was dieses System zu einem vielversprechenden Kandidaten für zukünftige Anwendungen macht [2]. Aus diesen Gründen verwenden wir das PbTe/CdTe-QD-System als prototypisches Beispiel zur Modellierung von Selbstorganisationsprozessen in Nanostrukturen.

Vorhersage der Gestalt des Quantenpunktes

PbTe Quantenpunkt
Abbildung 1: Theoretische Vorhersage der ECS (rechte-Seite) und der atomistischen Struktur (linke-Seite) von einem eingebetteten PbTe Quantenpunkt [4].

Um die Gestalt (thermodynamische Gleichgewichts-Kristallform - kurz: ECS) von PbTe-QDs in einer CdTe-Matrix vorherzusagen, haben wir in einem ersten Schritt die Grenzflächenenergien zwischen PbTe und CdTe für verschiedene Ausrichtungen berechnet. Basierend auf Wulffs Theorem [3] wird die ECS durch die minimale Grenzflächenenergie des QD unter dem Zwang eines konstanten Volumens und einer festen Anzahl von Atomen bestimmt. Die Anisotropie der Grenzflächenenergien in Bezug auf die Grenzflächenstruktur (typischerweise durch die Millerschen-Indizes hkl bezeichnet) führt zu einer ECS, welche nicht die Form einer Kugel aufweist (siehe Abbildung 1 - rechte-Seite).

HRTEM-Aufnahme
Abbildung 2: Experimentelle HRTEM-Aufnahme (aus der Gruppe von Prof. F. Schäffler Universität Linz) eines PbTe-Quantenpunktes eingebettet in CdTe [2].

In einem zweiten Schritt kann dann ein atomares Modell des Punkt-Matrix-Systems gemäß dem berechneten ECS konstruiert werden. Basierend auf den quantenmechanischen Hellmann-Feynman-Kräften wird die atomistische Geometrie des PbTe-Quantenpunktes weiter optimiert. Die resultierende Geometrie ist schematisch auf der linken Seite in Abbildung 1 gezeigt. Neben kleinen Unebenheiten der Grenzflächenstruktur (Rumpling-Effekt) kann die Bildung von Pb-Te-Doppelschichten entlang der [111]-Richtung beobachtet werden. Die hohe Zuverlässigkeit der theoretischen Vorhersagen kann durch einen Vergleich mit den experimentell beobachteten hochauflösenden Transmissionselektronenmikroskopiebildern (HRTEM) gezeigt werden. Wie in Abbildung 2 zu sehen ist, stimmen die theoretischen Vorhersagen sogar in atomarer Auflösung hervorragend mit den experimentellen Beobachtungen überein.

Darüber hinaus konnte über die durchgeführten ab initio Berechnungen die Ursache des „Rumpling-Effekts“ an den QD-Grenzflächen und die Bildung der Doppelschichten innerhalb der PbTe-QD gefunden werden. Der Grund für diesen Effekt ist ein elektrisches Dipolfeld, welches durch die polaren CdTe/PbTe (100) Grenzflächen induziert wird. Die Besetzung der Grenzflächen, jeweils durch Kationen (Cd2+) oder Anionen (Te2-), führt zur Bildung von Grenzflächenladungen. Wie in Abbildung 1 gezeigt wird, befinden sich alle Grenzflächen mit Cd-Ionen (100) an einer Seite des PbTe-QD, während alle Te-Ionen (100) an der gegenüberliegenden Seite des QD angeordnet sind. Auf diese Weise entsteht das beobachtete elektrische Dipolfeld [5].

Konsequenzen für die elektronischen Eigenschaften

Im Allgemeinen werden die elektronischen Eigenschaften von nanostrukturierten Systemen durch zwei Effekte beeinflusst: 

  • Der Quanten-Confinement-Effekt
    Die geringe Größe der eingebetteten QD führt zu räumlich begrenzten (innerhalb des PbTe QD) Elektron- und Loch-Wellenfunktionen. In Folge dieser Beschränkung wird die elektronische Bandlücke typischerweise um Econf erhöht.

  • Der Quanten-Confined-Stark-Effekt
    Die Existenz eines elektrischen Feldes führt zur Lokalisation der Elektronen und Loch-Wellenfunktion an gegenüberliegenden Seiten der Nanostruktur. Dabei wird die elektronische Bandlücke typischerweise um ΔStark reduziert.
Quanten-Confinement- und des Quanten-Confined-Stark-Effekt
Abbildung 3: Schematische Darstellung des Einflusses des Quanten-Confinement- und des Quanten-Confined-Stark-Effektes auf die elektronische Bandlücke [4].

Die Kombination dieser Effekte ist schematisch in Abbildung 3 gezeigt. Das elektrische Feld führt zu einem linear ansteigenden elektrostatischen Potential innerhalb der QD-Region. Daher werden die Wellenfunktionen von Elektronen und Löchern räumlich getrennt und die Bandlücke verringert. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die Rekombinationsrate der generierten Elektron-Loch-Paare, d.h. das Photolumineszenz-Signal wird stark von den Details der elektronischen Eigenschaften des QD-Systems beeinflusst. Darüber hinaus ist die Messung elektrischer Felder im Inneren der eingebetteten QD eine schwierige Aufgabe und in einigen Fällen überhaupt nicht realisierbar, da Matrixmaterialien mit großen Dielektrizitätskonstanten (wie z.B. CdTe) die elektrischen Felder der QD effektiv abschirmen. In solchen Fällen sind ab initio-Rechnungen eine der zuverlässigsten Methoden, um auf die elektronischen und optischen Eigenschaften zuzugreifen. Im betrachteten Beispiel war es möglich, einen experimentell beobachteten, völlig unerwarteten Photolumineszenzintensitätsabfall bei niedrigen Temperaturen im PbTe / CdTe-System zu erklären [4]. 

Zusammenfassung

 Am Beispiel der PbTe-QD eingebettet in einer CdTe-Matrix konnte gezeigt werden, dass ab initio-Rechnungen geeignete Methoden zur Bestimmung der strukturellen, elektronischen und optischen Eigenschaften von nanostrukturierten Materialien sind. Insbesondere kann man Materialeigenschaften berechnen, die experimentell nur sehr schwer oder gar nicht zugänglich sind. Abschließend können folgende Vorteile von ab initio-Rechnungen zur Bestimmung der Eigenschaften nanostrukturierter Materialien zusammengefasst werden:

  • enorme Reduzierung der Kosten aufgrund von Kenntnissen bzgl. der elektrischen und optischen Eigenschaften, bevor das Material zum ersten Mal hergestellt wird
  •  
  • zeitgleiche Bestimmung von Eigenschaften mehrerer Materialsysteme mit wenigen ab-initio-Berechnungen -> Vorhersage neuer Materialsysteme
  •  
  • Ermittlung schwer messbarer Materialeigenschaften -> Einsparung kostenintensiver Experimente 

Kontakt ...

Dipl.-Physiker
Dr. R. Leitsmann

Tel.: +49 (0)371 / 5347 - 553
Email: Öffnet ein Fenster zum Versenden der E-Mailleitsmann(at)matcalc.de

Weiterführende Literatur ...

[1] W. Heiss et al., Appl. Phys. Lett. 88, 192109 (2006)

[2] R.Leitsmann et al., New J. Phys. 8, 317 (2006)

[3] G.Wulff, Z. Kristallgr. Mineral. 34, 449 (1901)

[4] R.Leitsmann and F. Bechstedt, Phys. Rev. B 80, 165402 (2009)

[5] R.Leitsmann et al., Phys. Rev. B 78, 205324 (2008)